close
wechselndes vergrößertes Bild
Bild: Christian Felix Weiße, Maler: Anton Graff QS:P170,Q310213, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Die ersten Jahre
Johann Christoph Gottsched
Bild: Johann Christoph Gottsched, Künstler Leonhard Schorer QS:P170,Q27919222, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Als eine Art Vorläuferin des Leipziger Geschichtsvereins darf das 1637 gegründete Görlitzische Collegium Poeticum angesehen werden, aus dem wiederum die Alte Deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer hervorging. 1727 nahm sich Johann Christoph Gottsched der Leitung der Deutschen Gesellschaft an und erneuerte sie. Sein Austritt elf Jahre später leitete zugleich deren Niedergang und Ende ein. 1827 gründeten deshalb Leipziger Bürger die neue Deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer. Am 17. Dezember 1867 schließlich wurde eine Institution ins Leben gerufen, die sich - anders als die Deutsche Gesellschaft - nicht der Bewahrung der deutschen Sprache verschrieb, sondern sich zum Ziel setzte, die Altertümer Leipzigs zu erhalten und ihre Geschichte zu erforschen.

Der Architekt Dr. Oskar Mothes und der Lehrer Ernst August Rommel gründeten mit 19 weiteren Leipziger Bürgern (ausschließlich Männern) den Verein für die Geschichte Leipzigs. Nach dem Vorbild des Hamburger Geschichtsvereins folgte die Vereinsorganisation dem Prinzip der Selbstverwaltung der einzelnen Abteilungen. Der Verein setzte sich aus dem alle zwei Jahre neu zu wählenden Vorstand, der artistischen und literarischen Sektion sowie dem Pfleger-Ausschuss zusammen. Mit der Ausstellung seiner allmählich vor allem durch Spenden zusammengetragenen Sammlung und der Veranstaltung von Vorträgen sowie der Publikation von Schriften, versuchten die Mitglieder das öffentliche Interesse für die Geschichte ihrer Stadt zu wecken.

„Der Verein für die Geschichte Leipzigs hat sich den Zweck vorgesetzt, für die Erforschung der Stadt Leipzig mit besonderer Berücksichtigung geschichtlicher Denkmäler zu wirken und die Resultate seiner Arbeiten durch Veröffentlichung zum Gemeingute aller Derjenigen zu machen, welche an der Geschichte und Sage unserer Stadt Interesse nehmen. Zugleich bestrebt sich derselbe, vorhandene geschichtliche Denkmäler zu erhalten und wichtige Vorgänge durch äußerliche Merkzeichen der Vergessenheit zu entziehen.“

(StA, Verein für die Geschichte Leipzigs, Nr. 1)

Die Artistische und die Literarische Sektion
Christian Fürchtegott Gellert
Bild: Christian Fürchtegott Gellert, Maler Gottfried Hempel QS:P170,Q41168203, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

DIE ARTISTISCHE SEKTION war mit der Aufgabe betraut, die bedrohten Altertümer zu erhalten. Dafür besichtigten ihre Mitglieder auf sogenannten Erwerbsfahrten in und um Leipzig historische Objekte, erwarben diese entweder käuflich oder konnten sie als Schenkung oder Leihgabe der Sammlung einverleiben. Zu den Sammlungsobjekten gehörten Stadtansichten, Stadtpläne, Bildnisse von berühmten Persönlichkeiten, Karikaturen, aber auch Kircheninterieur, Grabsteine etc. Unterstützt wurde der Verein in seinem Anliegen dabei finanziell als auch mit der Überlassung von Objekten vom Rat der Stadt, Kirchen, der Handelskammer, Innungen, der Stadtbibliothek, anderen historischen Institutionen und nicht zuletzt Einzelpersonen.

Die Pflege der einzelnen Sammlungsobjekte oblag den Angehörigen des Pfleger-Ausschusses. Eine weitere Aufgabe der artistischen Sektion bestand in der Anbringung von Gedenktafeln an stadtgeschichtlich relevanten Orten.

Nur relativ kurze Zeit hingegen bestand die literarische Sektion (1868 – 1878). Ihre Aufgabe bestand darin, die Vorträge vorzubereiten, Literatur zur Geschichte Leipzigs zu sammeln, wissenschaftliche Anfragen zu bearbeiten sowie die Biografien von bedeutenden Leipziger Persönlichkeiten zu erstellen und Urkunden, die sich in ihrer Obhut befanden, auszuwerten. Auch das Publizieren der Vereinsschriften (Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs) gehörte zu ihrem Aufgabenspektrum.

Die Sektion kümmerte sich auch um die Anbringung und Pflege der
Gedenktafeln. Zu derartigen noch erhaltenen Gedenktafeln gehörten jene von:
  • Christian Fürchtegott Gellert am Wohnhaus Schwarzes Brett, Ritterstr. 8/Hof
  • Abraham Gotthelf Kästner am Geburtshaus Petersstr. 31 (neu Nr. 35, „Zum weisen Salomo“), Mathematikprofessor und Epigramm-Dichter
  • Albert Thorwaldsen im Hausflur des Gasthauses „Zur Stadt Hamburg“, Nikolaistr. 7 (10)
  • Siegfried August Mahlmann, Dichter, am Geburtshaus Reichsstr. 2 (4)
  • Käthchen Schönkopf am Haus Brühl 19
  • Denkmal auf dem Nordfriedhof für die bei der 1. Gasanstalt gefundenen Gebeine von Teilnehmern der Völkerschlacht
  • Johann Wolfgang Goethe im Hof der großen Feuerkugel, Neumarkt 3
  • Rudolf von Gottschall am Haus Auenstr. 1a
Da die Tafeln sehr kostspielig waren, suchte man deren Zahl zu beschränken.



Da die literarische Sektion nur kurz bestand, übernahm wenig später der Vorstand die Vorbereitung der Vorträge. Die Vortragsabende sollten zunächst in unregelmäßigen Abständen stattfinden, wobei sich der Mittwochabend als Vortragsabend einbürgerte. Jeden Monat einen Vortrag abzuhalten, erwies sich allerdings als kaum realisierbar. Dann wurde am 21. 9. 1876 nochmals beschlossen, regelmäßig alle 4 Wochen einen Vortrag anzubieten, allerdings war es schwierig, Vortragende zu gewinnen, insbesondere im Sommer, so dass man die Vortragsabende auf das Winterhalbjahr beschränkte. Im Oktober 1886 schlug der damalige Vorsitzende des Vereins, Dr. Gustav Wustmann, vor, nicht mehr bestimmte Vorträge anzukündigen, sondern die Abende durch kleinere Mitteilungen zu füllen, dafür aber regelmäßig jede zweite Woche zusammenzukommen. Diese „Plauderabende“ konnte Wustmann selbst gut gestalten. Später kehrte man jedoch wieder zu Vortragsabenden zurück. Die Hauptversammlungen dienten ganz den geschäftlichen Mitteilungen und einem kleinen Festmahl.

Die Bibliothek war seit 1873 im Alten Johannishospital untergebracht. Die Aufstellung erfolgte aus Platzgründen in Doppelreihen. Es gab 2 Abteilungen: Lipsiensia und Saxonica. Man beklagte in allen Berichten jedoch fehlende Benutzer. Anfänglich konnte die Bibliothek nur am Sonnabend Nachmittag benutzt werden, später erfolgte eine zeitliche Verlegung auf den Sonntag, um auch den Besuchern der Vereinssammlungen, die immer nur sonntags zur Mittagszeit geöffnet waren, zur Verfügung zu stehen. Appelle an Vereinsmitglieder halfen freilich wenig. Bücher konnten auch außer Haus ausgeliehen werden. Wenn der Bibliothekar Mackroth Urlaub hatte, blieb die Bibliothek geschlossen. Bis zur Verpflichtung des ersten Assistenten vertrat ihn Ernst Seidel. 1876/77 erfolgten 29 Entleihungen, 1879/80 stieg die Zahl auf 60 Entleihungen, 1883/83 fiel sie wiederum auf lediglich 10. 1892/93 wurden 80 Entleihungen, 1899: 95, 1903/04: 40 Entleihungen vermerkt. 1883/84 hielt der Bibliothekar Mackroth die Bibliothek samstags 17-20 Uhr offen, mit Ausnahme der üblichen Tage im August und September.
Zwischen den Weltkriegen
Im Manuskript „Der Verein für die Geschichte Leipzigs 1917 bis 1942“ heißt es zusammenfassend: Dem Verein für die Geschichte Leipzigs hat es nie an Aufgaben gefehlt. Da bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts das museale Sammeln dem damals neu gegründeten Stadtgeschichtlichen Museum überlassen war, blieben der Betätigung des Vereins die Vorträge, Führungen sowie die Herausgabe von Schriften. Letztes Ziel des Vereins musste es stets sein, neuen Stoff zur Stadtgeschichte beizutragen, neuartige Fragen zu stellen, nicht etwa aus dem bekannten zu schöpfen. Diese besondere Arbeit leistet der Verein für die Allgemeinheit. Durch seine Schriften wollte er die Ergebnisse weit über Leipzig hinaus der gesamtdeutschen Geschichtsforschung zugänglich machen. Der Schriftenaustausch mit auswärtigen Vereinen, der ständig und planmäßig ausgebaut wurde, umfasste annähernd 200 Anschriften in Deutschland, Italien, der Schweiz, Schweden, Holland.

Die Vortragsarbeit des Vereins war bestrebt, möglichst alle Sondergebiete zu berücksichtigen, die für die Geschichte einer Stadt vom Alter und von der Einflusssphäre Leipzigs in Frage kommen. Die Vereinsabende hatten die Siedlungs- und Frühgeschichte, die Verwaltungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, die Kunst- und Baugeschichte, die Universitäts- und Geistesgeschichte in ihren vielen Formen (Literatur, Musik, Theater, Zeitung) gleichmäßig berücksichtigt; von Goethe, Schiller und Lessing; von Laube, Freytag und Treitschke; von Wagner und Bach; von Genelli und Klinger und von vielen anderen, die Leipzigs geistiges und kulturelles Gesicht mit bestimmten, war die Rede gewesen und - was noch mehr sagen will: zumeist war über sie Neues geboten worden.

Auch der Versuch, das Lipsiensiensammeln im privaten Kreis wieder anzuregen, wurde gemacht und nach einem einführenden Abend fand fast regelmäßig in den Nachversammlungen ein Meinungsaustausch über Leipziger Erinnerungsstücke statt. Wesentlich erweitert wurde das Führungsprogramm. In der älteren Zeit des Vereins hat man im allgemeinen ganztägige Studienausflüge unternommen; Am Himmelfahrtstage, später am Sonntag nach Himmelfahrt, gelegentlich wohl auch einen zweiten im Herbst. Diese Studienausflüge, die in Leipzigs Beziehungen zur umgebenden Kulturlandschaft einführen sollen, blieben bestehen, wurden aber ergänzt durch Halbtagsführungen mit Besichtigungen, die aufs genaueste mit dem Leipziger Stadtbild und mit dem Werden der Großstadt vertraut machen und die bedeutenden Kulturschätze der Stadt erschließen wollen. Zu diesem Zweck finden jetzt fast in jedem Sommer 5 bis 6 Führungen statt

Der Ausbau des Schriftwesens in größerem Sinne sollte in Angriff genommen werden. Bei der Fünfzigjahrfeier, die am 27. Dezember 1917 im Stadtverordnetensaale festlich begangen wurde, gab der 2. Vorsitzende die Errichtung einer Ernst-Kroker- Stiftung für stadtgeschichtliche Forschung bekannt, deren damals schon nicht unbedeutende Grundstock auf eine bestimmte Höhe vermehrt werden sollte, um neben den aus Einzelbeiträgen bestehenden Bänden eine stadtgeschichtliche Monographienreihe zu ermöglichen. Leider sind die Mittel der Stiftung bis auf einen ganz geringen Betrag der Inflation zum Opfer gefallen, ehe der Zeitpunkt erreicht war, wo sie in Wirksamkeit treten konnte. Ihr Ziel wurde zeitweilig vom Ausschuss für das historische Schriftwesen mit städtischen Mitteln übernommen, der seit 1929 drei Bände veröffentlicht hat. So blieb dem Verein zunächst nur die Weiterführung seiner Schriften übrig, soweit dazu noch Geld vorhanden war. Der 13. Band wurde in drei Heften von 1921-1926 herausgegeben. 1929 erschien der 14. Band und war die Folge bis zum Kriegsausbruch 1939 auf 23 Bände gebracht worden. Außerdem waren zwei Beihefte erschienen so wie das Sonderheft von Bernhard Lange: Dr. Friedrich Schulze 60 Jahre. Drei von den neuen Bänden trugen monographischen Charakter: Ernst Müller, Die Häusernamen von Alt-Leipzig; Albert Schröder, Leipziger Goldschmiede aus fünf Jahrhunderten und Otto Rudert, Die Kämpfe um Leipzig im Großen Kriege 1631-1642.

Im Jahre 1941 wurde die Forschungsstelle unter Führung von Oberbürgermeister Freyberg und der wissenschaftlichen Leitung von Archivar Dr. Ernst Müller gegründet. Ihre Aufgabe bestand vor allem in planmäßigen Vorarbeiten zu einer groß angelegten wissenschaftlichen Stadtgeschichte. Außerdem unterstützte sie nach Möglichkeit auch außerhalb ihrer Veröffentlichungsreihe erscheinende wissenschaftliche Schriften zur Stadtgeschichte, insbesondere des Vereins für die Geschichte Leipzigs. Seit 1938 wurde ferner von Georg Merseburger, dem Gründer des Leipziger Kalenders, das Leipziger Jahrbuch heraus gegeben, das die Vereinsmitglieder zu einem verbilligten Preise erwerben konnten. Um freilich auf den Haupttätigkeitsgebieten vorwärts zu kommen, war Beschränkung notwendig. Der Verein hatte früher das Anbringen von Tafeln zu geschichtlich bedeutsamen Stätten in sein Bereich mit einbezogen, ja, er hatte in dieser Hinsicht in Leipzig bahnbrechend gewirkt. Er musste aus Geldgründen fortan darauf verzichten. Die Kennzeichnung des Hauses, Hainstraße 9, in dem Theodor Fontane als Apotheker tätig gewesen war, durch eine Tafel aus Anlass von Fontanes 100. Geburtstag, am 30. Dezember 1919, war die letzte derartige Maßnahme des Vereins. Ebenso konnte die regelmäßige Überweisung von Schenkungen an das Stadtgeschichtliche Museum nicht mehr fortgesetzt werden, da die hierfür bestimmte Stiftung ebenfalls in der Inflationszeit verfiel. Zu den letzten Geschenken des Vereins gehörte ein Ring aus Käthchen Schönkopfs Besitz.

Noch ehe der Verein für die Geschichte Leipzigs entstand, war 1852 eine Großorganisation aller örtlichen Vereine im Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine geschaffen worden. Ihr schloss sich der Geschichtsverein an und wurde mit ihr 1933 dem Reichsministerium für Volksbildung unterstellt. Außerdem stand der Verein von 1925 bis 1933 in einer die geschichtlichen Bestrebungen des Landes Sachsen zusammenfassenden Gruppe, dem Verband sächsischer Geschichts- und Altertumsvereine. Die 5. Tagung dieses Verbandes fand am 4. und 5. Oktober 1930 in Leipzig statt. Diese innersächsische Zusammenarbeit der heimatgeschichtlichen Vereine war dann durch das Heimatwerk Sachsen weitergeführt, dem der Geschichtsverein beigetreten war.

Eine örtliche Neuorganisation des Leipziger Geschichtsvereins wurde 1938 vorgenommen. Die außerordentliche Hauptversammlung vom 25. Februar 1938 beschloss die Beteiligung des Vereins an der Arbeit des Deutschen Volksbildungswerks und den heimatkundlichen Veranstaltungen des Verkehrsvereins, der sich durch seine Abteilung „Unsere Leipziger Heimat“ zum Zweck der Heimatwerbung für die Verbreitung stadt- und heimatgeschichtlicher Kenntnisse in weiten Kreisen einsetzte. Durch die Verlegung der Vereinsgeschäftsstelle in die Räume des Verkehrsvereins (Leipzig C1, Reichsstraße 15, Kochs Hof) kam dieser Zusammenhang zum Ausdruck. Außerdem wurde dadurch für die Zukunft eine engere Verbindung mit der Stadt hergestellt, da der Dezernent des Kulturamts das Amt des ersten Vorstehers übernahm. Die Führung lag zur damaligen Zeit in Händen von Stadtrat Hauptmann, während die wissenschaftliche Abteilung Dr. Friedrich Schulze, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, und die volksbildende Studienrat Johannes Arndt betreute. Geschäftsführer war Studienrat Dr. Walter Engemann. Nicht selten hat der Verein in Altleipziger Fragen, etwa der Erhaltung von Baudenkmälern oder historischen Namen, seine Ansicht geäußert; 1927 ist er auch in längerer Eingabe an das Sächsische Ministerium für Volksbildung für die Gründung eines ordentlichen Lehrstuhles für Landesgeschichte an der Universität Leipzig eingetreten.



Zahlen und Fakten

Infolge einer während des Ersten Weltkrieges im Februar 1917 erlassenen Ministerial-Verordnung musste das Abhalten von Vorträgen aufgrund von Kohlemangel zeitlich eingeschränkt werden, so dass lediglich von Freitag bis Sonntag Vorträge möglich waren. Der Vortrag in der Alten Börse am 14. 3. 1917 über das Leipziger Theater musste daher verschoben werden und fiel schließlich ganz aus.

Die Veröffentlichung des 11. Bandes der Vereinsschriften musste verschoben werden, der Verein beteiligte sich dafür mit 300 Mark an der Kriegsnotspende. Die Vortragsabende liefen vorerst ohne Unterbrechung weiter. Der Besuch der Vorträge gestaltete sich stärker besucht als in Friedenszeiten. Das Festmahl zur Hauptversammlung musste hingegen zunehmend eingeschränkt werden. Ab Februar 1917 sah man sich gezwungen, aufgrund des Kohlemangels Vorträge zu streichen. Der Schatzmeister Herr Gerhard diente seit 1914 als Vorstand des Gefangenenlagers in Döbeln, Dr. Georg Buchwald als Beisitzer wurde nach Rochlitz abberufen. An seine Stelle trat der Bankprokurist Franz Barth, der auch die Tätigkeit des Schatzmeisters übernahm. Ungeachtet dessen traten neue Mitglieder in den Verein ein.

Ein Mitglied fiel als Soldat im Ersten Weltkrieg - Dr. Albert Poetzsch, am 3. 7. 1915. Er hatte als Bibliothekar an der Stadtbibliothek gearbeitet, war seit 1911 Vereinsmitglied und hielt Vorträge über Adam Müller als österreichischen Generalkonsul in Leipzig sowie Rudolf Hildebrand. Am 8. 1. 1917 starb Albrecht Kurzwelly (Stadtgeschichtliches Museum) infolge einer an der Front erlittenen schweren Verletzung. Ein Nachruf würdigte sein Lebenswerk. An seine Stelle als 2. Vorsteher trat sein Mitarbeiter, Dr. Friedrich Schulze, in den Vorstand ein.

Am 23. Januar 1923 verlor der Verein einen seiner Mitbegründer, Oberlehrer Eduard Mangner, den Vorsteher der Jahre 1891 bis 1911, und am 26. August 1927 dessen Nachfolger, Professor Dr. Ernst Kroker, der als Stadt- und Reformationshistoriker sich einen klangvollen Namen geschaffen hatte. Die Mitgliederbewegung unterlag, nachdem Mitte der zwanziger Jahre ein gewisser Höhepunkt erreicht war, starken Schwankungen. Die Inflation brachte auch die Entwertung der Stiftungsmittel.


Geschäftsstellen nach 1918:

  • Leipzig C1, Schillerstraße 9, Städtische Schule für Frauenberufe
  • Leipzig C1, Reichsstraße 15, Kochs Hof
  • Leipzig C1, Markt 1, Buchhandlung Heinrich Matthes

Mitgliederzahlen:

  • 1917 etwa 470
  • 1918 etwa 500
  • 1921 etwa 600
  • 1922 etwa 650
  • 1923 etwa 700
  • 1924 etwa 750

Mitgliedsbeiträge:

  • 1913 – 1924: 5 Mark
  • 1925 – 1929: 3 Mark
  • 1931 – 1930: 5 Mark
  • 1931 – 1937: 4 Mark


1938 erfolgte die Umorganisation für den Leipziger Geschichtsverein mit einer engeren Verbindung mit der Stadt, da der Dezernent des Kulturamts das Amt des ersten Vorstehers des LGV übernahm. Widerstandsbestrebungen gegen die auf der Hauptversammlung des Vereins vom 25. Februar 1938 angenommenen Satzung konnten nicht ausfindig gemacht werden. Der Verein blieb seinem Zweck der heimatgeschichtlichen Wissenschaft und Volksbildung unter Beachtung parteipolitscher Prämissen verschrieben.

Die auf der Hauptversammlung des Vereins vom 25. Februar 1938 angenommenen Satzung bestimmte nach § 4 Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft:

„Mitglied des Vereins kann jeder werden, der deutschen und artverwandten Blutes ist.“

Danach waren mit dem Einsetzen der Judenverfolgungen ab November 1938 keine jüdischen Mitglieder mehr im Verein. Dass jüdischen Mitgliedern des LGV unter Beruf auf das Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtenstandes vom 7. April 1933 die Niederlegung der Mitgliedschaft (Austritt) angetragen wurde, konnte nicht ermittelt werden.

Aus dem Jahresbericht 1939:

„Beim Kriegsausbruch, im Herbst, war die Frage aufzuwerfen, ob die Tätigkeit kultureller Vereine einzustellen oder wenigstens einzuschränken sei. Sie wurde von den maßgeblichen Stellen dahin beantwortet, daß das Kulturleben ganz allgemein keine Minderung erfahren dürfe. ... Die Beteiligung (aller Veranstaltungen) war meist gut, was besonders für die Zeit der Verdunklung im Oktober bis Dezember hervorgehoben werden muss.“

Aus dem Jahresbericht 1942:
„... das Jahr 1942 erhielt sein Gepräge durch die 75-Jahrfeier, die aus praktischen Gründen vom 17. Dezember auf den 24. und 25. Oktober vorverlegt wurde. Sie fand, trotz der kriegsbedingten schlichten Form, unter großer Beteiligung von Mitgliedern und Gästen statt.“

DDR-/ Kulturbund-Zeit
Nach 1945 war der Fortbestand von Vereinen aufgrund der Bestimmungen der alliierten Besatzungsmächte nicht mehr möglich. Dies betraf auch die Arbeit des Vereins für die Geschichte Leipzigs. Das Interesse an Stadtgeschichte bestand jedoch ungebrochen fort. Verschiedene Bemühungen führten am 6. Dezember 1947 zur Gründung eines „Arbeitskreises für Stadt- und Kulturgeschichte“, der seit 1955 als „Fachgruppe Stadtgeschichte“ im Kulturbund der DDR Vorträge und Exkursionen organisierte und Publikationen zu stadtgeschichtlichen Themen veröffentlichte. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit Universitätshistorikern und dem Stadtgeschichtlichen Museum.

Einer der profiliertesten Nicht-Historiker der Fachgruppe Stadtgeschichte war Wolfgang Grundmann, der letztere von 1980 bis 1990 leitete. Grundmann wandte sich seit Mitte der 1950er-Jahre besonders der Stadtteilgeschichte zugewandt und trug zur Gründung einer entsprechenden Arbeitsgruppe bei.


Zahlen und Fakten

Anmerkung aus dem Programmzettel für den Monat März 1986:
„Bei der Durchsicht unserer Kartei stellten wir fest, daß ein Drittel unserer Mitglieder für das vergangene Jahr 1985 noch keinen Kulturbundbeitrag bezahlt hat.“

Anmerkung aus dem Programmzettel für den Monat Februar 1989:
„Um zu vermeiden, daß wir wie im vergangenen Jahr an 40 % unserer Mitglieder Mahnschreiben wegen offenstehender Mitgliedsbeiträge versenden müssen...“


Gegenwart
Dem Leipziger Geschichtsverein eröffnete sich 1992 die Möglichkeit, sogenannte ABM-Kräfte zu beschäftigen. Zunächst war der Vereinsvorstand von zwei zu besetzenden Stellen ausgegangen. Letztendlich konnte das Projekt sogar auf drei ABM-Stellen aufgestockt werden. Beworben hatten sich auf diese Stellen drei arbeitslose Lehrer. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Leipzig bestand das Ziel in der wissenschaftlichen Bearbeitung der Leipziger Kommunalpolitik und Stadtverfassung für den Zeitraum von 1831 bis 1918. Dabei lag der Fokus auf Stadtrat, Stadtverordneten sowie städtischen Wahlen in Leipzig im 19. Jahrhundert. Von Seiten des Leipziger Geschichtsvereins wurde das Projekt von Prof. Dr. Wolfgang Schröder konzeptionell entwickelt, koordiniert und betreut.

Leider sollte die Schaffung und Beschäftigung dieser drei ABM-Stellen den Verein eine finanzielle Überraschung der besonderen Art bescheren. Das Problem entstand aus dem verwaltungstechnischen Ablauf der Gehaltszahlungen. Laut Kassenbericht für das Jahr 1993 erfolgte die Finanzierung der ABM durch das Arbeitsamt Leipzig. Hierfür erhielt der Verein vom Arbeitsamt Zahlungen für Gehälter, Lohnsteuern und Sozialbeiträge in sechsstelliger Höhe. Die eigentliche Abrechnung der Lohnzahlungen lief hingegen über die Gehaltsstelle beim Rat der Stadt Leipzig. Da es nun seitens des Arbeitsamtes zu Verzögerungen bei den Zahlungen an den Verein kam, resultierten hieraus Überziehungszinsen beim Vereinskonto. Diese Zinsen beliefen sich schließlich auf fast 850,00 DM. Daraufhin gab es im Verein Diskussionen und Überlegungen über den Sinn und Zweck beziehungsweise der Realisierbarkeit einer Fortführung dieses Projektes. Im Ergebnis stand das Auslaufen der drei ABM-Stellen Ende Mai 1993.

Als am 17. Dezember 1990 im Festsaal des Alten Rathauses zu Leipzig die Gründung des Leipziger Geschichtsvereins e.V. stattfand, waren Zeitpunkt und Ort keineswegs zufällig gewählt. Am 17. Dezember 1867 hatte sich der Verein für (die) Geschichte Leipzigs konstituiert, jener Verein, an dessen Traditionen man nun wieder anknüpfen wollte. Der Festsaal im Alten Rathaus gilt nicht nur als die „gute Stube“ Leipzigs, sondern repräsentiert wie kaum ein anderer Ort die Geschichte der Stadt sowie Würde und Selbstbewusstsein ihrer Bürgerschaft. Der Saal bildet gleichsam das Herzstück des Stadtgeschichtlichen Museums, genau jenes Museums, dessen Entstehung auf eine Initiative des Vereins für die Geschichte Leipzigs zurückgeht.

Einer der Kernpunkte auf der Gründungsversammlung war die Beschließung des Statuts mit dem darin formulierten Zweck des neuen Vereins. Diese Ziele bestehen in der wissenschaftlichen Erforschung, Darstellung und Verbreitung der Geschichte Leipzigs im Kontext zur Regional- und Landesgeschichte, in der Förderung der Heimatgeschichte und Denkmalpflege, in der Betonung der identitätsstiftenden Wirkung einer denkmal- und geschichtsgerechten Pflege für die Stadt Leipzig und deren Bürger sowie der Unterstützung und Förderung des Stadtgeschichtlichen Museums zu Leipzig.

Unter den 43 Gründungsmitgliedern waren zahlreiche Mitstreiter der Fachgruppe Stadtgeschichte Leipzig. Dieser Arbeitskreis hatte in den vierzig Jahren vor 1989 versucht, unter ungleich schwierigeren Bedingungen, das Erbe des alten Vereins für die Geschichte Leipzigs zu bewahren und fortzuschreiben. Nunmehr erwies sich die Fachgruppe als Fundament für den neuen Leipziger Geschichtsverein. Noch wenige Tage vor der Neugründung hatte die Leitung der Fachgruppe Stadtgeschichte konstatiert:

„…aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse [wurde] beschlossen, die 1949 staatlicherseits verordnete zwangsweise Eingliederung der Fachgruppe Stadtgeschichte in den Kulturbund zu beenden und einen eigenständigen und unabhängigen Leipziger Geschichtsverein zu gründen.“

Weiter hieß es:

„Dieser soll an die Traditionen des 1867 gegründeten Vereins für die Geschichte Leipzigs anknüpfen, Bewährtes bisheriger Stadtgeschichtsarbeit fortführen und allen regionalgeschichtlich Interessierten und engagierten Bürgern eine gute Heimstatt sein.“

Die Neugründung des Leipziger Geschichtsvereins bedeutete für die Mitglieder der Fachgruppe Stadtgeschichte einerseits einen Bruch mit gewohnten Strukturen und Verantwortlichkeiten, andererseits bot sich nun die Chance zu einer selbstbestimmten Fortsetzung der über Jahrzehnte geleisteten Arbeit. Wenige Tage nach der vollzogenen Vereinsgründung bemerkte dazu Wolfgang Grundmann, der vormalige Leiter der Fachgruppe, selbstkritisch in einem Brief an Karl-Hermann Wegner, den Leiter des Stadtmuseums Kassel:

„…Den Vereinsvorsitz hat eine junge Historikerin der Universität [Anm.: Dr. Katrin Keller] übernommen, und ich bin nur noch Stellvertreter. So wird neuer Elan in die Arbeit des Vereins kommen…“

Bereits in den ersten Monaten seines Bestehens trat etwa die Hälfte der Mitglieder der ehemaligen Fachgruppe Stadtgeschichte dem neuen Leipziger Geschichtsverein bei. Zusammen mit weiteren Interessenten wurde so die Zahl von 200 Mitgliedern bereits wieder annähernd erreicht. Mit dieser Basis konnte nun die Umsetzung der Ziele angegangen und die Vereinsarbeit mit Leben gefüllt werden.

Mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Herbst 1989 ergaben sich plötzlich neue Möglichkeiten und Perspektiven, von denen nur wenige Wochen vorher kaum jemand auch nur zu träumen wagte. Eine solche neue Möglichkeit eröffnete sich zwischen der Fachgruppe Stadtgeschichte Leipzig und dem Verein Freunde des Stadtmuseums Kassel e.V. in Form einer Partnerschaft. Treibende Kräfte waren hierbei auf Leipziger Seite Wolfgang Grundmann, Leiter der Fachgruppe Stadtgeschichte, und auf Kasseler Seite u. a. Karl-Hermann Wegner, Leiter des dortigen Stadtmuseums. Bereits Ende Dezember 1989 fand ein erstes Treffen beider Vereine statt. Danach ging es Schlag auf Schlag, und die Kontakte wurden intensiviert. So gab es gegenseitige Besuche: im Juni 1990 eine Fahrt von Mitgliedern der Fachgruppe Stadtgeschichte nach Kassel, im September desselben Jahres waren die Freunde des Stadtmuseums Kassel an der Pleiße zu Gast. Es blieb jedoch nicht bei reinen Besuchen mit Stadtführungen, Besichtigungen oder geselligem Beisammensein. Beide Vereine vereinbarten Projekte, die schnell konkrete Gestalt annahmen. So floss eine großzügige finanzielle Unterstützung aus Kassel für die Anschaffung eines Kopierers, der für die Vereinsarbeit in Leipzig unverzichtbar wurde. Hingegen übernahm die Fachgruppe Stadtgeschichte die Patenschaft für ein Gebäude des zu schaffenden Kasseler Stadtmodells von 1766, konkret für das „Leipzig Tor“.

Bereits beim Besuch aus Kassel im September 1990 überreichte Frau Eva-Marianne von Forstner-Römhild umfangreiche Dokumente von Johann Theodor Römhild (1684 – 1756), darunter 135 handgeschriebene Kompositionsseiten zu 10 Kantaten, an Wolfgang Grundmann. J. T. Römhild war nicht nur Komponist und Zeitgenosse von Johann Sebastian Bach, sondern zugleich ein Vorfahre des verstorbenen Ehemanns von Eva-Marianne von Forstner-Römhild, Hans Römhild. Natürlich verblieb die Schenkung nicht bei der Fachgruppe Stadtgeschichte. Wolfgang Grundmann übergab die Dokumente an Dr. Klaus Sohl für die Sammlungen des Stadtgeschichtlichen Museums zu Leipzig.

Die Partnerschaft zwischen Kassel und Leipzig erschöpfte sich damit jedoch keineswegs. Als im Dezember 1990 die Gründung des Leipziger Geschichtsvereins bevorstand, bekräftigten die Freunde des Stadtmuseums Kassel die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem künftigen Verein. So traten beide Vereine dem jeweils anderen Verein als Mitglied bei. Aber auch einzelne Aktive aus Kassel wurden Mitglieder im Leipziger Geschichtsverein und umgekehrt.

In den folgenden Jahren bereicherten weitere gegenseitige Besuchsfahrten und Exkursionen das Vereinsleben. Des Weiteren gab es Arbeitstreffen, zum Beispiel in der Bibliothek des Stadtgeschichtlichen Museums, und Gastvorträge in Kassel und Leipzig („Die Brüder Grimm und Kassel“, Vortrag von Christa Waitz von Eschen aus Kassel in der Alten Börse in Leipzig, 1994).

Als 1993 im Rahmen der Schriftenreihe des Leipziger Geschichtsvereins die Publikation „Kirchen in Leipzig“ im neu gegründeten Sax-Verlag erscheinen sollte, waren es wieder die Freunde des Stadtmuseums Kassel, die dem Verein respektive dem Verlag finanziell unter die Arme griffen. Mit Hilfe eines zinslosen Darlehns in fünfstelliger Höhe konnte dieses Projekt realisiert werden. Der Kredit konnte ein Jahr später fristgemäß zurückgezahlt werden.

Ein Höhepunkt in der Partnerschaft beider Vereine ergab sich zweifelsohne kurz nach dem Jahre 2000. Durch zahlreiche Eingemeindungen nach Leipzig in den Jahren zuvor, ergab sich in der Stadt die Notwendigkeit, mehrfach vorkommende Straßennamen umzubenennen. Wolfgang Grundmann nutzte die Chance und ergriff die Initiative für eine Umbenennung der Schkeuditzer in Kasseler Straße. Die im Stadtteil Gohlis gelegene Straße trägt seit 2001 den Namen der hessischen Stadt.

Auch wenn mit dem Tod von Wolfgang Grundmann im Jahre 2004 die Aktivitäten zwischen dem Verein der Freunde des Stadtmuseums Kassel und dem Leipziger Geschichtsverein merklich nachgelassen haben, sind beide Vereine nach wie vor durch eine gegenseitige Mitgliedschaft miteinander verbunden.